Gürkan Sermeter verbrachte sechseinhalb Jahre in Bern und nennt sie «die schönste Zeit meiner Karriere.» Der 47-Jährige, einst einer der Publikumslieblinge, lebt und arbeitet heute in Bellinzona.
«Ich habe mich in YB verliebt»
Lange ist es her, ein Vierteljahrhundert schon, aber wie könnte Gürkan Sermeter vergessen, wie das damals bei YB gewesen ist? Er kann die Namen seiner Teamkollegen alle noch aufzählen, von Gerber und Baumann über Prytz und Neqrouz bis Lengen und Pulver. «Ich durfte damals als junger Spieler zeigen, was ich kann», sagt Gürkan Sermeter, «und ich habe mich in den Club verliebt.»
Es ist im Februar 1996, als er GC-Manager Erich Vogel in dessen Büro kundtut, dass er sich mehr Einsätze wünscht. Und dass ihm diese Perspektive bei YB von Trainer Jean-Marie Conz geboten wird. Der 22-Jährige wird bis Sommer ausgeliehen und hinterlässt erste, tiefe Spuren. In zwölf Spielen der Abstiegsrunde gelingen ihm zehn Tore, der Ligaerhalt wird souverän geschafft, Sermeter geht wieder. Aber nicht gleich zu GC zurück, sondern für etwas mehr als zwei Jahre zu Luzern, bevor er doch nochmals für die Zürcher spielt.
Wankdorf, Neufeld, Stade de Suisse
Im Sommer 2000 kehrt er nach Bern zurück, Fredy Bickel ist der Sportchef, Marco Schällibaum der Trainer – und YB in der Nationalliga B, daheim noch im altehrwürdigen Wankdorf. Nach einer Saison meldet sich der Verein zurück in der obersten Spielklasse, Sermeter hat sich zu einer Schlüsselfigur entwickelt. Was folgt, sind «die schönsten Jahre meiner Karriere», wie er selber sagt. YB verabschiedet sich aus dem Wankdorf, zieht ins Neufeld, trainiert in Schönbühl, als Garderoben dienen Container, und 2005 geht es zurück ins neugebaute Stade de Suisse.
Sermeter erlebt das alles mit, dazu viele turbulente, aufwühlende Partien, in denen er oft trifft, Tore vorbereitet und Verantwortung übernimmt. Er denkt an den Dezember 2001, als in der letzten Qualifikationsrunde St. Gallen zu Gast ist. Läuft alles schief, rutscht YB in die Abstiegsrunde. In der 94. Minute ahndet Schiedsrichter Massimo Busacca ein Hands im Strafraum mit einem Penalty für die Einheimischen. Sermeter läuft an, sorgt für das 1:0 und für Glücksgefühle bei der Mehrheit der 10’500 Zuschauerinnen und Zuschauer. Und da ist dieser Cup-Viertelfinal im März 2003 gegen Basel. Dreimal trifft Sermeter, aber das reicht nicht fürs Weiterkommen: YB verliert diesen spektakulären Match 3:4 nach Verlängerung. «Es gab so viele Momente, die erwähnenswert wären», sagt er, «ich könnte damit Seiten füllen.»
Jassrunden und Fahrgemeinschaft
Sermeter identifiziert sich mit YB, das spüren die Fans, und sie schätzen das bis heute. Er, der Zürcher aus Wädenswil, gilt als ehrliche Haut, der mit Leidenschaft und Emotionen bei der Sache ist. Mehr als einmal, sagt er, hätte er die Möglichkeit gehabt, den Verein zu wechseln und deutlich mehr Geld zu verdienen. «Aber das, was wir in Bern aufgebaut hatten, war mir wichtiger als der Lohn», sagt er.
Zum Wohlbefinden gehören unter anderem ausgiebige Jassrunden. Thomas Häberli und Stéphane Chapuisat wissen nicht nur mit dem Ball, sondern auch mit Karten umzugehen. Und zur Gewohnheit wird es, dass er, der aus familiären Gründen in Zürich lebt, Teil einer Fahrgemeinschaft wird: Mit Häberli, Mark Disler und auch Reto Burri fährt er regelmässig ab Rothrist AG nach Bern ins Training oder zum Spiel. «Eine überragende Zeit», sagt er, «auch wenn wir leider keinen Titel gewonnen haben.» Er schwärmt heute noch davon, Chapuisat als Teamkollegen gehabt zu haben, «ein absoluter Ausnahmekönner.» Oder er erwähnt Marco Wölfli, den Goalie, mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis verbindet wie mit so vielen. «Ich habe mich in YB verliebt», sagt Sermeter.
Lebensmittelpunkt im Tessin
2006 endet seine Zeit bei YB mit 32 Jahren, er hat in den insgesamt sechseinhalb Jahren 211 Wettbewerbsspiele bestritten, 65 Treffer geschossen, 40 vorbereitet. 2012 tritt Sermeter nach 19 Jahren als Profi zurück, kommt danach unter anderem als Experte beim Schweizer Fernsehen zum Zug und steigt 2015 bei der Allianz Versicherung in Zürich-Oerlikon ein. Dem Unternehmen hält er bis heute als Verkaufsleiter die Treue, allerdings im Süden des Landes: Mit seiner Tessiner Partnerin und dem gemeinsamen Kind lebt Sermeter in Bellinzona.
Von dort verfolgt er das Geschehen mit Interesse – und natürlich freut er sich über die Erfolge von YB. «Es wurden die richtigen Schlüsse aus Fehlern der Vergangenheit gezogen», sagt er, «da wurde ein schlafender Riese geweckt.» Immer wieder gerne kehrt er nach Bern zurück, frischt mit Freunden Erinnerungen auf und fühlt sich rasch, als wäre er nicht schon vor Jahren weggegangen. Benötigen die Legenden bei den YB Old Stars Verstärkung, lädt ein Fanclub ihn ein – Sermeter ist dabei. «Wenn YB ruft, fahre ich los», sagt er. Diese Liebe wird nicht erlöschen. Zuletzt war er beim YB-TV im Rahmen des Spiels YB – Luzern mit anschliessender Pokalübergabe zu Gast.
Gürkan Sermeter vor seiner letzten Saison mit YB im Sommer 2007.
Letztes Spiel im alten Wankdorf im Juli 2001, mit Gürkan Sermeter.
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Quelle: YB MAG Nr. 4 / 2020/21