Unvergessene Spieler: Seydou Doumbia

Die liebenswürdige Tormaschine

Er war gerade mal 21-jährig, als Seydou Doumbia als unbekannter ivorischer Fussballer von Japan nach Bern kam. Zu YB, wo er hinwollte, weil bei diesem Klub bereits zwei Spieler aus der Elfenbeinküste unter Vertrag standen: Gilles Yapi und Thierry Doubai. Doumbia blieb zwei Jahre – schoss in dieser Zeit 50 Meisterschaftstore für unseren Verein, wurde Publikumsliebling und international bekannt und begehrt. In Bern war er nicht mehr zu halten: Für Doumbia ging die lukrative Weltreise weiter.

Seine Stationen nach YB hiessen ZSKA Moskau und AS Roma, leihweise spielte er alsdann bei Newcastle, beim FC Basel und bei Sporting Lissabon, später wurde er nach Spanien zu Girona und kurz auch zum FC Sion transferiert – zuletzt stand er bei den Hamrun Spartans (Malta) unter Vertrag. Inzwischen ist er 34-jährig – und im Rückblick auf seine Fussballer Odyssee sagte er unlängst: «Die Zeit in Bern werde ich nie vergessen!» Dies, obwohl er bei YB zweimal «nur» Vizemeister wurde. Sowohl in Russland (2013 und 2014) als auch in Basel (2017) kam er hingegen zu nationalen Titelehren.

In Bern allerdings widerfuhren ihm aussergewöhnliche Dinge: So berührte er erstmals Schnee – und zwar beim teaminternen Schneeschuh-Laufen in der Region Beatenberg. Wenige Wochen später bestand er in den Strassen des Wankdorf-Quartiers die Fahrprüfung (trotz Bedenken seiner Mitspieler, die ihn beim Rückwärtsparken gesehen hatten), und schliesslich entdeckte er an der Moserstrasse im Breitenrain einen Barbier, der ihm die kühnsten Frisuren auf den Kopf zauberte. So gesehen war Doumbia ein Pionier jenes Trends, der bis heute von einigen Young Boys fortgesetzt wird.

Der Spieler Seydou Doumbia bei YB: In seiner ersten Saison kam er anfänglich sehr oft als Joker aufs Feld. In dieser Rolle hatte er grossen Erfolg. Meisterns vermochte er einen Match noch zu Gunsten von Gelbschwarz zu drehen. In den ersten fünf Runden schoss er fünf Tore, obschon er in keinem Spiel länger als 25 Minuten auf dem Platz stand. Klar, dass er entsprechend gefeiert wurde. In der Fankurve war er schnell einmal der grosse Liebling – der Lord, für den man einen speziellen Song intonierte. Mit 20 Toren wurde «Dumbi» nationaler Torschützenkönig, ein Jahr später doppelte er mit 30 Goals gleich nach. Gleichzeitig wurde er zum zweiten Mal Spieler des Jahres in der Super League. Findige Journalisten fanden heraus, dass Seydou Doumbia im Durchschnitt in seiner YB-Zeit alle 55 Minuten ein Tor schoss. Das ist eine Marke, wie sie weltweit in einer höchsten Liga wohl nur ganz wenige erreicht haben.

Seydou Doumbia war ein aussergewöhnlicher Fussballer, ein eigentlicher Goalgetter. Er war nicht der spielstarke Techniker mit langen Laufwegen, aber er war ein antrittsschneller und kaltblütiger Vollstrecker, der durch ein unglaubliches Stellungsspiel vor dem gegnerischen Tor auffiel. Ob links oder rechts oder mit dem Kopf: wenn sich eine Gelegenheit zum Abschluss bot – Doumbia war immer hellwach und zur Stelle.
Apropos wach: Als er für das YB-MAG damals im Jahr 2008 nach seinem Hobby gefragt wurde, lautete seine Antwort: «Schlafen».

Dieses «Hobby» hatte er sich insbesondere in seiner ersten Profi-Station in Japan angeeignet: «Ich konnte mit niemandem sprechen, war ausserhalb von Training und Match meistens allein – also gab es für mich nur zwei Dinge zu tun: Erstens schlafen, zweitens die japanische Sprache im Selbststudium erlernen.» Letzteres war immerhin insofern erfolgreich, dass er sich im Land der aufgehenden Sonne einigermassen verständigen konnte. Später, in Bern, hatte er diesbezüglich keine Probleme mehr: «Tout le monde parlait français avec moi – il ne me fallait pas de Bärndütsch.»

Bei seinen ehemaligen YB-Mitspielern und beim Berner Publikum bleibt Seydou Doumbia unvergessen.

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Autor: Charles Beuret
Quelle: YB MAG Nr. 2 / 2021/22

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