Gastspiel von Marco Schällibaum

2001 kehrte YB in die Nationalliga A zurück. Der Trainer damals: Marco Schällibaum. Der heute 58-Jährige erinnert sich an seine Ära in Bern.

«Emotionen! Pure Emotionen!»

«1999 startete ich als Assistent von Christian Gross mit dem FC Basel in die Saison – aber ich machte damals kein Geheimnis daraus: Wenn sich die Gelegenheit ergibt, eine Aufgabe als Cheftrainer übernehmen zu können, möchte ich sie wahrnehmen. Diese Chance bot sich mir schneller als erwartet: Im September übernahm ich bei YB. Der Verein war in die Nationalliga B abgestiegen und steckte in Schwierigkeiten. Er hatte enorme wirtschaftliche Sorgen, und sportlich lief es auch nicht. YB lag nach neun Runden auf dem vorletzten Platz.

Marco Schällibaum wurde 1999 YB-Trainer.

Aber die schwierige Situation schreckte mich nicht ab, im Gegenteil. Mich reizte die Herausforderung ungemein, der Mannschaft wieder auf die Beine zu helfen. Die ersten Monate waren ziemlich happig, weil der Verein mit den Lohnzahlungen in Rückstand geraten war. Bis Dezember sahen die Angestellten kein Geld, sollten aber trotzdem Moral zeigen und Leistung abliefern. Wie oft redete ich den Spielern gut zu, wie oft versuchte ich, sie zu motivieren und zu versichern, dass alles schon gut käme… Es war eine Mammutaufgabe, anders kann ich das nicht sagen.

Die Probleme belasteten das Team, einzelne Spieler wussten nicht, ob sie Ende Monat jeweils die Rechnungen begleichen konnten. Die Spieler zogen mit und zeigten grosse Bereitschaft, sich aufzulehnen. Wir mussten zwar in die Abstiegsrunde, aber mit Beginn des Jahres 2000 ging es los. Unser erstes Spiel fand in Solothurn statt, die Ambiance im Stadion war gut mit vielen YB-Fans – und wir gewannen 2:1. Das gab uns Mumm für die bevorstehenden Monate. Am Ende hatten wir das Ziel erreicht, wir schafften auf souveräne Weise den Ligaerhalt.

Der Verein konnte sich finanziell stabilisieren, und im Sommer 2000 lancierten wir einen Neustart. Wir verpflichteten Spieler wie Erich Hänzi, Thomas Häberli, Gürkan Sermeter, Harutyun Vardanyan, Artur Petrosyan oder Mark Disler, die sich für uns als Glücksfälle erwiesen und massgeblichen Anteil am Aufschwung hatten. Wenn ich an Disler denke… Er war kein überragender Fussballer, aber wahnsinnig unangenehm für jeden Gegner. Und dann sein Wille! Oder die beiden Armenier: Vardanyan war extrem unerschrocken, Petrosyan der Motor im Mittelfeld.

Mit diesen Transfers bewiesen wir ein gutes Näschen und wuchsen zu einer echten Einheit zusammen. Wir liessen die Zeit der Probleme und Ungewissheiten hinter uns. Die Leute merkten, dass da eine Mannschaft mit guter Mentalität unterwegs war, Spieler, die sich für YB ins Zeug legten, die ehrliche Arbeit ablieferten, erfolgshungrig waren und zielstrebig Richtung Nationalliga A strebten.

Mit der Qualifikation für die Auf-/Abstiegsrunde erreichten wir ein erstes Etappenziel. Der Teamspirit war überragend, die Dynamik beeindruckend, wir strotzten vor Selbstvertrauen. Mitte Mai war es soweit: Noch vor Ende des Pensums stand unsere Rückkehr in die Nationalliga A fest. Was an Erinnerungen haften bleibt? Emotionen! Pure Emotionen! Und das Fest im Zelt hinter dem Wankdorf. Der grosse Polo Hofer sang, und wir alle sangen mit ihm auf der Bühne «Alperose», nicht besonders talentiert, aber laut. «Alperose» bekam irgendwie jeder hin.

Grosse Freude nach dem Aufstieg 2001: Marco Schällibaum und Gürkan Sermeter.

Die vier Jahre in Bern sind tief in meinem Herzen. Ich lernte eine wunderbare Stadt kennen, ich lernte die Menschen schätzen. Mir gefiel ihre Geselligkeit und Bodenständigkeit. Mir als Zürcher wurde es sehr einfach gemacht, mich wohl zu fühlen und mich nicht nur mit dem Club zu identifizieren, sondern auch mit der Umgebung.

Als es noch nicht so gut lief, ging ich mit der Mannschaft auf den Gurten. Wir schauten alle hinunter auf die Stadt, und ich sagte: «Jungs, das hier ist unser Reich, das müssen wir verteidigen. Wir müssen für Bern und die ganze Region kämpfen.» Wenn ich heute nach Bern komme, werde ich ab und zu noch angesprochen. Das zeigt, dass ich einiges richtig gemacht habe.»

Marco Schällibaum denkt gerne an die YB-Zeit zurück.

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Quelle: YB MAG Nr. 2 / 2020/21

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