Merci Wouf!

Als Marco Wölfli 1999 erstmals für YB zwischen den Pfosten stand, erlebte der Club wohl seine grösste Krise. 21 Jahre später endet seine Karriere nach einem Meistertitel-Hattrick.

Im Herbst 1999 machte der BSC Young Boys die schwierigste Zeit seiner Vereinsgeschichte durch. In der damaligen Nationalliga B klappte praktisch gar nichts, die Trainer wurden nach dem Saisonstart mehrfach gewechselt, finanziell war der Club am Abgrund. Im August übernahm Marco Schällibaum das Traineramt, YB hatte zu diesem Zeitpunkt aus neun Spielen nur sechs Punkte geholt und belegte den elften und vorletzten Platz. In den folgenden Monaten gelang es Schällibaum, YB sportlich ein wenig zu stabilisieren. Mit der Gründung der YB Betriebs AG Ende 1999 und der Finanzspritze der United Sportinvest AG aus Luzern war das weitere Bestehen gesichert.

Auch auf der Goalie-Position herrschte keine Kontinuität. Paolo Collaviti begann die Saison, fiel aber schon bald mit einem Kreuzbandriss aus. Martin Salzgeber war der nächste zwischen den Pfosten, später wurde Slaven Matan vom FC Basel ausgeliehen. Als Matan im Oktober mit der U21-Nationalmannschaft der Schweiz unterwegs war, setzte Marco Schällibaum nicht auf dessen Vertreter Salzgeber, sondern stellte im Spiel gegen Stade Nyonnais den eben erst 17 Jahre alt gewordenen Juniorengoalie Marco Wölfli ins Tor – es war für den Grenchner der erste von bis heute 463 Pflichtspieleinsätzen.

«Der erste Schuss aufs Tor war gleich drin, danach konnten wir aber das Spiel noch drehen. Die Wirren im Club habe ich schon mitbekommen. Beschäftigt hat mich das in diesem jungen Alter aber nicht gross, ich freute mich einfach darauf, mein Debüt in der ersten Mannschaft geben zu können», erinnert sich Marco Wölfli.

Kurz vor Schluss sah Nyons Goalie Grossen die rote Karte, Stürmer Dérivaz stand fortan zwischen den Pfosten. Der eingewechselte Theubet sorgte in der Nachspielzeit mit einer sehenswerten Direktabnahme dafür, dass Marco Wölflis Premiere im YB-Tor doch noch mit einem Sieg endete. Mit dem YB-Goalie im Team spielte 1999 auch Martin Fryand, der heutige Konditionstrainer.

Das Telegramm vom 9. Oktober 1999:
YB – Stade Nyonnais 3:2 (1:1)
Wankdorf – 2’050 Zuschauer. – SR Salm.
Tore: 4. Aubert 0:1. 39. Sawu (Kurtulus) 1:1. 51. Sawu (Kurtulus) 2:1. 78. Eseosa 2:2. 92. Theubet 3:2.
YB: Wölfli – Pileggi, Küffer, Lengen, Reimann – Fryand (75. Theubet), Cilinski, Moser (84. Mitreski), Kurtulus – Merenda (71. Grubesic), Sawu. – Trainer: Schällibaum.

Marco Wölfli spielte in der Folge wieder im Nachwuchs und wurde im Sommer 2000 als zweiter Goalie fix ins Kader der ersten Mannschaft aufgenommen. In der folgenden Aufstiegssaison kam er im Spiel gegen Locarno zum Einsatz (2:1-Sieg).

In der Winterpause 2001/02 folgte der leihweise Wechsel zum FC Thun. Wölfli erhielt nun Spielpraxis und stieg mit den Thunern im Sommer 2002 in die höchste Spielklasse auf. In der Finalrunde 2003 kam er am 9. März im Trikot des FC Thun gar zu einem Einsatz gegen «seinen Club». Gürkan Sermeter schoss beim YB-Sieg im Neufeld das einzige Tor.

Nach der Rückkehr zu YB im folgenden Sommer wurde er Stammtorhüter und spielte zum Saisonbeginn 2003/04 beim 4:1-Sieg in St. Gallen erstmals für die Young Boys in der höchsten Spielklasse.

Es folgten erste Einsätze im Europacup, der Umzug ins neue Stadion, die Rückkehr von YB an die Spitze des Schweizer Fussballs – eng verbunden mit den Leistungen von Marco Wölfli. Zwischen 2008 und 2013 kam er elf Mal für die Nationalmannschaft zum Einsatz, unter anderem am 15. Oktober 2009, als sich die Schweiz mit einem 0:0 gegen Israel die direkte Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika sichern konnte.

Im Dezember 2013 erlebte er den härtesten Schlag in seiner Fussballkarriere – nebst den verlorenen Cupfinals und Finalissimas mit YB. Beim Spiel in Thun riss seine Achillessehne, die Saison war gelaufen, ebenso die Teilnahme an der WM 2014 in Brasilien. Wölfli war nach seiner Genesung nicht mehr die Nummer 1 bei YB, Yvon Mvogo und später David von Ballmoos standen im Tor. Wölfli steckte alles weg, blieb stets fair und loyal und war bereit, wenn es ihn brauchte.

Als sich Von Ballmoos im Winter 2018 an der Schulter verletzt, kehrt der Grenchner ins Tor zurück, und – die Geschichte ist bekannt – wird mit YB am 28. April nach dem 2:1-Sieg gegen Luzern Schweizer Meister. Achtzehneinhalb Jahre nach dem ersten Einsatz, 32 Jahre nach dem letzten Meistertitel. Verdientermassen spielte «Wouf» mit dem gehaltenen Penalty von Gvilia in dieser Partie eine grosse Rolle.

Weitere Highlights folgten Schlag auf Schlag. Gemeinsam mit dem damaligen Captain Steve von Bergen konnte Wölfli den Meisterpokal 2018 in die Höhe stemmen, in der Champions League kam er zweimal zum Einsatz, unter anderem beim legendären 2:1- Sieg gegen Juventus. Ein weiterer Meistertitel nach der Saison der Rekorde 2018/19 und nun sogar der Titelhattrick.

Sobald wieder Zuschauer in den Stadien zugelassen sind, wird Marco Wölfli sein Abschiedsspiel erhalten. Er wird als eine der grössten YB-Legenden in die Geschichte eingehen: MERCI WOUF!

***

Autor: Stefan Stauffiger
Quelle: YB MAG Nr. 4 / 2019/20

Menü