- Michel Gsell (58) lebt auf dem Ferenberg mit Blick auf die Alpen und das Stadion
- YB-Fan
- Kabarettist und Musiker, Lehrer und Coach für Erwachsene
- Der grössere Teil von «Schertenlaib+Jegerlehner» (mit Gerhard Tschan), Musik, Poesie und höherer Blödsinn, www.schertenlaibundjegerlehner.ch
- SRF 1-Hausband «Ohrfeigen: 2Ster (mit Pesche Gurtner)
- Preise:
– der Goldene Biberflade (schon gegessen), Appenzell 2009
– Salzburger Stier (nicht gegessen) 2013
– Schweizerischer Kabarettpreis Cornichon (gegessen), Olten 2018
MEIN FUSSBALL, MEIN YB
Während ich diese Zeilen schreibe, sollte ich eigentlich im Stadion sein. Es ist der 29. Februar, ich hatte mich, wie immer, seriös auf den Match vorbereitet: Statistiken analysieren, Matchunterhose bereitlegen, morgens beim Aufstehen mit meinem starken linken Fuss zuerst den Boden berühren, später in der Stube versuchen, den genoppten Gymnastik-Massageball mit einem Innenristschlenzer ins leere, hohe rechte Eck unserer Wohnwand (Buchenoptik) zu pfeffern. Und ich schwöre: JEDESMAL, wenn ich nicht treffe, gewinnen wir! Immer!
Jetzt spüre ich eine Leere in mir, diese Leere ist mindestens so leer wie das leere Stadion. Meine Frau (auch sie Anhängerin des schönen Fussballs, der atemberaubenden Choreos und des gewaltfreien Gesangs im Stadion, auch sie mit Saisonkarte), versucht es mit Safranrisotto und schwerem Roten. Der Bauch ist voll, die Leere bleibt.
Aber ich will ja von und über mein Leben mit dem Fussball im Allgemeinen und mit den Young Boys im Besonderen schreiben.
Also hier: Mit neun Jahren zum FC Büren an der Aare, ich spielte bei den B-Junioren, der Klub hatte damals nur diese eine Juniorenmannschaft, der älteste Spieler war 14. Leider war der Torhüter zwar talentiert, aber halt erst elf und für sein Alter eher klein. Wir verloren JEDES Spiel. Drei Jahre später, Umzug nach Thun zum FC Dürrenast. Ich wollte nicht in ein Stadion, das «Lachen» heisst und spielte deshalb beim Underdog auf dem schönsten Fussballplatz der Welt, direkt am Thunersee, mit Blick auf die Alpen. Es war toll, ich gewann meine ersten Partien, spielte in der kantonalen Auswahl und freute mich auf eine Profikarriere bei YB.
Höhepunkt
Am 28. Juni 1977 hatte ich meinen ersten (und im Nachhinein muss man sagen, auch meinen einzigen) Karrierehöhepunkt, denn an diesem Tag spielten Servette und Basel in einem Entscheidungsspiel um die Meisterschaft gegeneinander. Im Wankdorf! Vor 50’000 Zuschauern! Und ich spielte mit dieser Kantonsauswahl (mit Jacobacci) das Vorspiel (ja, das gab es damals noch). Keine Ahnung mehr, wie das Spiel ausging. Ich schaute vermutlich vor allem auf die Tribünen, die sich immer mehr füllten, hörte den Lärm der Fans und spürte die positive Aufregung, die Vorfreude und die Energie dieser Menschenmasse. Fantastisch. So sollte es sein. Nun, mit der Profikarriere wurde es dann doch nichts. Später spielte ich noch ein paar Jahre bei Ostermundigen, trainiert wurden wir von Gérard Weissbaum, ihr wisst, wen ich meine. Er führte uns in die 2. Liga. Danach war Schluss.
Immer YB
Im Herbst 1986, YB war der amtierende Meister, Urs Zurbuchen im Tor und ich im Publikum. Das grosse Real Madrid gab sich im Wankdorf die Ehre mit all den Stars. Aber wir hatten eben: Urs Bamert. Zusammen mit Conz, Wittwer und Weber bildete er die Abteilung «bis hier und nicht weiter». Libero, zwei Aussenbacks und die klassische Nummer 4, der «Vordere». Gibt es ja nicht mehr. Nicht etwa der geniale Prytz, nicht die rotzfreche Angriffsrakete Lunde, nein Bamert wars, der Turm. Er schraubte sich nach zwei Minuten im gegnerischen Strafraum in den Nachthimmel (ich glaube es war ein Corner?) und nickte souverän ein. Yes! Was danach kam: Abwehrschlacht, Abpfiff und Hoffnung aufs Weiterkommen. Wir verloren die Auswärtspartie im Bernabéu. 0:5.
Wankdorf
Danach die Jahre bis ins neue Jahrtausend, na ja. Mein prägendstes Ereignis war die Standhaftigkeit des einen Flutlichtmasts am 3. August 2001. Er widersetzte sich der Sprengung, was für mich ein kraftvolles Zeichen und neue Hoffnung auf eine goldene YB-Zukunft war. Das alte Wankdorf war Geschichte, die Spiele im Neufeld ein Warten auf den Einzug ins neue Stadion. Über die Namensgebung schweige ich, wie auch über die Plastikunterlage.
YB-Liebe
Was ich am Fussball liebe: die Schönheit des öffnenden Passes, Zirkusartistik in Hochgeschwindigkeit, Draufgängertum, unbedingter Wille zum Erfolg, Teamarbeit, Spielfreude, Drama, die Wucht des Angriffs, die Freude der Menschen im Stadion, viele Tore, viele Siege. Deshalb und immer wieder: vielen Dank YB.