Gastspiel von Schwingerkönig Christian Stucki: «Wer dabei war, wird es nie vergessen»

Schwingerkönig Christian Stucki gehört zu den populärsten Schweizern – wo immer er auftritt, zieht er die Menschen in seinen Bann. Der 34-jährige Seeländer ist oft mit seiner Familie im Stade de Suisse anzutreffen – als YB-Fan, der die jüngsten Erfolge hoch einschätzt. Für das YB gibt er Einblicke.

«Meine Begeisterung für den Fussball geht auf meine Jugend zurück. Als kleiner Knirps, ja gut, von klein zu schreiben ist in meinem Fall nicht unbedingt angebracht, trat ich als 7-Jähriger dem FC Diessbach bei. Das Spielfeld war bloss 150 Meter von unserem Zuhause entfernt. Ich hatte einigermassen Gefühl für den Ball und war der Typ Sturmtank, der eher aus dem Stand agierte. Für die Position des Verteidigers war meine Reaktionszeit zu wenig schnell.

Als ich 14 Jahre jung war, fand ich keine passenden Fussballschuhe mehr. Ich trug damals bereits Grösse 49 (heute bin ich bei Grösse 51 angelangt). Ich fand, dass die Zeit für etwas Neues gekommen war. Zuvor hatte ich immer parallel geschwungen und Fussball gespielt. Ich beendete meine ‹Fussballkarriere› und begann im Dorf mit Hornussen.

Aber meine Leidenschaft für den Fussball ist natürlich geblieben. Ich schaue extrem gern Fussballspiele, am liebsten natürlich, wenn YB spielt. Nicht nur mir hat es den gelb-schwarzen Ärmel hineingezogen, auch unsere Jungs Elia und Xavier sowie meine Frau Cécile geniessen es sehr, im Stade de Suisse zu sein. Erstmals war ich lustigerweise 1998 als 13-jähriger Schwingfan im Wankdorfstadion, als das ‹Eidgenössische› dort stattfand und Jörg Abderhalden König wurde. Meine Premiere im Stade de Suisse erlebte ich 2005 mit dem Gastspiel des FC Thun in der Champions League.

Mit YB habe ich mittlerweile viele schöne Erlebnisse gehabt. Der 28. April 2018 steht natürlich über allem, als der Titel erstmals nach 32 Jahren wieder nach Bern kam. Bei diesem historischen Spiel gegen Luzern überhaupt im Stadion dabei gewesen sein zu dürfen, lost bei mir schon allerhand aus. Es war ein Drehbuch, das man nicht besser hätte schreiben können. Der Rückstand, Marco Wölfli mit dem gehaltenen Penalty, das 1:1 durch Guillaume Hoaraus Elfmeter, und dann, ja dann, das späte Siegestor von Jean-Pierre Nsame. Wer dabei war, wird es nie vergessen. Die Emotionen sind mit allen YB-Fans durchgegangen, auch bei mir. Die Erlösung war spürbar, die pure Freude lag in der Luft, es waren Gefühle für die Ewigkeit. Ich blieb lange im Stadion und genoss es, die zufriedenen Leute zu sehen und einfach Teil dieses geschichtsträchtigen Fests zu sein.

Ähnliche Gefühle hatte ich beim Eidgenössischen Schwingfest Ende August in Zug. Als ich im Schlussgang gegen Joel Wicki gewonnen hatte, war ich in den ersten Momenten ziemlich gefasst. Ich war einfach froh, dass ein riesengrosser Stein von meinen Schultern gefallen war. Ich dachte: Das Fest ist zu Ende, endlich habe ich es geschafft. Die ganz tiefen Emotionen kamen dann am Tag danach bei der Heimreise auf, da musste ich schon die eine oder andere Träne trocknen. Auch heute, wenn ich die Bilder betrachte, ist es sehr krass. Es zeigt, welche Gefühle der Sport auslösen kann. Das war ja schon 2013 in Burgdorf so, nachdem ich den Schlussgang gegen Matthias Sempach verloren hatte. Es gibt Leute, die sagen, mein anschliessender Kuss auf ‹Mättus› Stirn sei Schweizer Sportgeschichte gewesen. Das freut mich natürlich. Aber solche Aktionen plant man nicht, sie kommen einfach aus der Emotion des Moments heraus.

Doch zurück zu YB und zu Marco Wölfli. Ich lernte ihn bei einem Plausch-Penaltyschiessen näher kennen. Er ist ein lustiger, bodenständiger Mann, vor dessen Karriere man nur den Hut ziehen kann. Weil er mehr Penalties hielt als ich Treffer vorzuweisen hatte, war es an mir, ihn zum Essen einzuladen. Es wurde ein geselliges Treffen unserer Familien.

Ich bin sicher, dass wir YB-Fans noch oft Grund zum Jubeln haben werden. Die Meistertitel 2018 und 2019 waren hochverdient und kamen dank herausragenden Leistungen auf und neben dem Platz zustande. Nun sieht es bei Halbzeit der Meisterschaft so aus, dass die Rückrunde spannend wird. Das ist im Sinn der Schweizer Fussballfans.

Ich freue mich sehr auf die zweite Saisonhälfte und bin überzeugt, dass unser Team alles dafür tun wird, den Titel zu verteidigen. Wie die Mannschaft und die Trainercrew mit den vielen Verletzten umgegangen sind, zeugte von Grösse. YB hat ein tolles Fundament gelegt und sich bisher auch in der laufenden Saison sehr gut ‹gmetzget›.

Ich zweifle nicht daran, dass auch die Rückrunde erfolgreich über die Bühne gehen wird. Hopp YB!

Christian Stucki

***

Aufgezeichnet von Albert Staudenmann
Quelle: YB MAG Nr. 2 / 2019/20

Menü