Interview mit David von Ballmoos

David von Ballmoos hat bei YB alles, um sagen zu können: «Ich habe einen Traumberuf bei meinem Traumverein.» Der 24-jährige Goalie aus dem Emmental über persönliche Ziele, Versagensängste und sein Vorbild in jungen Jahren.

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Was ist das Reizvolle an Deinem Job als Goalie?
Das Bewusstsein, grossen Einfluss aufs Spiel haben zu können. Ich kann dazu beitragen, dass wir gewinnen, weiss aber auch, dass es mit einem Fehler in die andere Richtung gehen kann.

Wie sehr ärgert Dich ein Gegentor?
Vermutlich spreche ich für viele Goalies, wenn ich sage, dass ich jeden Gegentrefferfast schon persönlich nehme.

Du bist als Goalie quasi ein Einzelsportler im Team.
Das ist das Los des Torhüters. Er hat eine Sonderrolle und spezielle Position, er sieht, wenn eine heikle Situation entsteht. Das kann nervenaufreibend sein, weil man zuweilen Anweisungen geben kann, wie man will, weil das im Lärm aber untergeht.

Einen Goalie muss man kaum fragen, ob ihm ein 5:4 oder ein1:0 lieber ist…
…nein: zu null spielen und gewinnen, das ist perfekt. Vergangene Saison gelang uns das in der Super League 15 Mal. Diese Marke gilt es nun zu übertreffen.

Kennst Du Versagensängste?
Nein. Aber ich gehe respektvoll an jede Aufgabe heran. Ich bin zwar noch nicht sehr alt, und doch habe ich mir dank einigen Erlebnissen und Erfolgen eine gewisse Sicherheit zugelegt. Eines ist mir bewusst: Es braucht einiges an Aufwand, um Selbstvertrauen aufzubauen, aber wenig, um es wieder zu verlieren.

Wie schaffst Du es, ausgeglichen zu bleiben?
Eine Stütze ist der Mentaltrainer, mit dem ich seit vier Jahren zusammenarbeite. Ich versuche, die Balance beizubehalten, indem ich mir sage: Wegen eines Fehlers geht die Welt nicht unter.

Wann bist Du das letzte Mal mit zittrigen Knien auf den Platz gegangen?
Die Knie zitterten zwar nicht gerade, aber ich erinnere mich an zwei Momente, in denen ich ziemlich nervös war: Als ich zum ersten Mal im Tor der U21 von YB stand; und als ich das Debüt in der Challenge League bei Winterthur gab. Zum Glück verflog die Nervosität mit dem Anpfiff.

Gibt es brenzlige Situationen, in denen Du eine Angst überwinden musst?
Praktisch nie. Ich bin ein furchtloser Mensch, und als Goalie lernst du, Entscheidungen zu fällen. Wenn ich mich auf etwas festgelegt habe, ziehe ich es durch. Sobald ich zögere, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mir ein Fehler unterläuft.

Ist es Dir egal, ob 30’000 Zuschauer im Stadionsind oder 3’000?
Ich schaffe es gut, sehr vieles auszublenden. Ich nehme die Massen wahr, auch den Lärm, und ich liebe es, in einem vollen Stadion zu spielen. Aber ich bin sehr fokussiert auf die Aufgabe und schaue nicht auf die Tribüne. Ich bewege mich in einer eigenen Welt, solange das Spiel läuft, und ich will immer die maximale Leistung abrufen – ob gegen Manchester vor 73’000 Zuschauern oder gegen Etoile Carouge vor 1’500 Leuten.

Hast Du nie das Bedürfnis gehabt, einmal Spielmacher oder Torjäger zu sein?
Nein. Als Junior war ich auch Feldspieler, aber das ist eigentlich nicht erwähnenswert. Linker Aussenverteidiger, überschaubares Talent… (lacht) Ich habe grosse Achtung vor den Feldspielern: Wenn ich heute bei einem Spielchen im Training mitmache, ist es schon beeindruckend, wie die mit dem Ball umgehen können. Da bin ich froh, Goalie zu sein.

Ist für Dich eine schöne Parade emotional vergleichbar mit einem Torerfolg?
Es ist etwas anderes. Ich bin nicht ein Goalie, der nach einemabgewehrten Ball jubelt. Innerlich freue ich mich, aber ich muss das nicht zeigen.

Es gibt Torhüter, die das tun.
Das ist ihre Sache. Ich will die Konzentration hochhalten, weil es wahnsinnig schnell gehen kann und eine Superparade sofort an Wert verliert, wenn in der nächsten Szene etwas schiefgeht.

Wer war für Dich dein Idol?
Oliver Kahn. In meiner Jugend schaute ich zu ihm hoch. Ich saugte alles auf über ihn, las jedes Interview von ihm und schaute immer gebannt zu, wenn er spielte.

Was hat Dich so fasziniert?
Es war nicht einmal primär das Technische, sondern seine Persönlichkeit. In der Berichterstattung drehte sich vieles um Kahn: Was bietet er heute? Wie verhält er sich? Ich fragte mich oft: Wie kann einer, der derart polarisiert, konstant starke Leistungen zeigen? Er schuf sich mit einigen Aussagen und Aktionen nicht nur Freunde. Schwarz oder weiss -bei ihm gab es keine Grauzone. Aber er war eine Figur mitwahnsinniger Ausstrahlung und eindrücklicher Einstellung.

Du warst zwar Kahn-Fan, bist aber als Typ nicht wie er.
Nein. Ich wollte auch nie werden wie Oliver Kahn, sondern meinem Stil und meinem Naturell treu bleiben. Natürlich gibt es Dinge, die man abschaut und übernimmt: die Aggressivität, das Pushen der Kollegen.

Wer ist der beste Torhüter der Gegenwart?
David de Gea von Manchester United ist einer der ganz Grossen, Jan Oblak von Atlético Madrid beobachte ich oft. Und ich zähle auch zwei Schweizer dazu: Yann Sommer und Roman Bürki.

Ist die Nationalmannschaft für Dich ein Thema?
Ein Aufgebot muss man sich über die Jahre mit Konstanz verdienen. Ich habe nicht das Recht, Ansprüche zu stellen. Wenn ich sehe, was Sommer und Bürki bislang geleistet haben, ist das für mich auch ein Antrieb, meinen Weg mit aller Konsequenz weiterzugehen. Mit Reden allein ist noch nie einer Nationalspieler geworden. Mein Ziel ist es aber, dass der Trainer eines Tages nicht mehr an mir vorbeikommt.

Goalies sollen eine Macke haben. Kannst Du das bestätigen?
Ich bin nicht unbedingt ein 08/15-Typ.

Aber Du sorgst ja nicht für Schlagzeilen abseits des Rasens.
Das ist auch nicht nötig. Ich habe trotzdem eine verrückte, wilde Seite. Die kommt aber nicht zum Vorschein, wenn ich Journalisten gegenübersitze, dann muss ich mich nichtaufspielen, damit in den Medien danach geschrieben wird: Von Ballmoos spinnt (lacht). Wenn ich unter Freunden bin, höre ich schon einmal: Dave, du bist verrückt.

Bist Du daheim bei Deinen Eltern der Fussballstar von YB?
Nein, dann bin ich eines ihrer drei Kinder. Das ist das Schöne: Bei uns wurden alle drei Kinder immer gleich behandelt. Das ist auch heute noch so. Und ich muss mich nicht wichtiger nehmen, weil ich Fussball-Profi bin. Das hat sichermit der Herkunft und den Wurzeln zu tun. Ich habe meine vierjährige Lehre als Landmaschinenmechaniker durchgezogen. Und als ich bei YB im Nachwuchs spielte, half ich auf dem elterlichen Bauernhof am Abend genauso mit wie meine Geschwister. Das war für uns alle völlig normal.

Hilfst Du heute immer noch mit?
Wenn Not am Mann ist, kommt das vor. Ich habe gelernt: Wenn man helfen kann, macht man das.

Sind deine Eltern immer Fussball-Fans gewesen?
Früher gar nicht. Aber jetzt werden sie es immer mehr. Sie kommen sehr gerne zu den Spielen, lieben die Atmosphäre im Stadion, sie fiebern und freuen sich mit YB.

Was bedeutet Dir YB?
Ein Stück Heimat, ein Stück Familie. Ich identifiziere mich extremmit YB und bin dankbar, hier sein zu dürfen. Als ich im Nachwuchs von YB war, hatte ich den Traum, einmal mit der ersten Mannschaft im Stade de Suisse einlaufen zu dürfen. Ich sage mir immer wieder: Was willst du mehr? Du hast einen super coolen Verein, der auf dich setzt, mega Fans, die Familie und Kollegen in der Nähe – die Konstellation ist wirklich perfekt. Darum geht es mir so gut.

Kannst Du Dir vorstellen, bei YB alt zu werden?
Warum nicht? Ich habe einen Traumberuf in meinem Traumverein. Es muss schon einiges passieren, damit ich das aufgebe.

Wenn sich ein namhafter Verein aus dem Ausland meldet…
…dann kann sich die Situation ändern, klar. Natürlich träume ich davon, eines Tages den Sprung ins Ausland zu schaffen. Aber am Ende muss alles stimmen.

Du hast als Profi einen hohen Bekanntheitsgrad und verdienst gutes Geld. Wie behält man da die Bodenhaftung?
Indem ich mich an Werte erinnere, die mir die Eltern mitgegeben haben. Niemand hat das Recht, sich über andere Menschen zu stellen, weil er einen höheren Lohn hat. Wir hatten eine schöne Kindheit und mussten auf nichts verzichten. Wir schätzten es enorm, wenn wir am Sonntaggemeinsam einen Ausflug machten. Heute ist mir bewusst, wie teuer das für eine ganze Familie sein kann.

Was ist für Dich Luxus?
Schöne Ferien. Da gebe ich vielleicht mehr Geld aus als andere. Dubai steht bei mir hoch im Kurs. Zuletzt waren wir zwei Wochen in Costa Rica unterwegs.

Nun kommt wieder ein Herbst mit europäischen Auftritten auf YB zu.
Ich liebe das! Ich freue mich immer darauf, neue Stadien kennenzulernen.

Welches ist das schönste Stadion im Ausland, in dem Du bis jetzt gespielt hast?
Das Old Trafford in Manchester.

Bist Du nie müde?
Wenn, dann mental. Körperlich ist die Belastung kaum ein Problem. Drei Spiele pro Woche – mir gefällt das.

Und was für einen Traum hast Du?
Weltmeister mit der Schweiz zu werden. (strahlt)

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Quelle: YB MAG Nr. 1 / 2019/20

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