Sandro Lauper, wie fühlte es sich an, mit YB Meister zu werden?

«Schmerzhaft», hätte Sandro Lauper, Stammspieler in der Meistermannschaft des BSC Young Boys, auf diese Frage wohl geantwortet. Denn im allerletzten Spiel der Saison verletzte er sich am Knie und wird noch einige Zeit ausfallen. Davon ahnte Sandro Lauper noch nichts, als er eine YB-Nachwuchsmannschaft besuchte und den zwölfjährigen Kickern erzählte, wie er zum Profi geworden ist: was es braucht, wie der Weg aussieht und wie er mit Rückschlägen umgegangen ist.

Die ersten Schritte zum Fussballprofi haben die zwölfjährigen Buben bereits geschafft. Sie sind in eine FE-12-Mannschaft der Young Boys aufgenommen worden und gehören somit zu den rund 400 talentiertesten Spielern der Region. Footeco, wie diese Stufe heisst, ist die Schnittstelle zwischen Kinderfussball und Juniorenfussball. Hier werden neben dem Fussball auch die Grundlagen in den Bereichen Technik und Koordination erarbeitet – daher die Abkürzung Footeco.

TRANSPARENZ ALS OBERSTES GEBOT

Ein ausgeklügeltes Nachwuchskonzept bietet Gewähr, dass wirklich die begabtesten Kinder aus der Region ausgewählt und gefördert werden. Dabei ist der Gedanke, dass Spione mit hochgestelltem Mantelkragen und dunkler Sonnenbrille die Juniorenspiele beobachten und die talentiertesten Spieler abwerben ein Märchen – im Gegenteil! Eine offene, transparente Zusammenarbeit mit den rund 170 Vereinen der Region ist heute gut eingespielt, und jeder Juniorenverantwortliche beim Dorfverein kennt seinen Ansprechpartner bei YB und seinen Partnervereinen Team TOBE (Oberaargau / Emmental), Team AFF / FFV (Freiburg) und Team Köniz. Dieses Konzept bietet für alle Beteiligten Vorteile. Der Junior bekommt in den Footeco-Teams eine gute Ausbildung mit hochqualifizierten Trainern. Der Amateurverein profitiert davon, dass sein Spieler, gut ausgebildet, vielleicht einmal den Weg zurückfindet. Und YB schliesslich kann die Entwicklung der Spieler beobachten und jedem individuell gerecht werden. Ziel des BSC Young Boys ist es, jedes Jahr einen oder zwei auf diesem Weg ausgebildete Spieler in die Super-League-Mannschaft zu integrieren. Dass es funktioniert, zeigen Stammspieler wie David von Ballmoos, Sandro Lauper und Michel Aebischer. Dazu kommen Talente wie Jan Kronig, Leo Seydoux oder Felix Mambimbi, die kurz vor dem Durchbruch stehen.

TECHNIK, PHYSIS, TAKTIK UND MENTALITÄT

«In Youth we Believe» – «Wir glauben an die Jugend» – heisst das Motto und es ist inzwischen breit abgestützt. Die kleineren Fussballklubs freuen sich, wenn sie das eine oder andere ihrer Talente melden können und es dann von einem der zehn Scouts im Bereich Footeco beobachtet wird. Wenn sich ein künftiger Fussballstar übergangen vorkommt, hat er noch die zusätzliche Möglichkeit, sich an einem der jährlich von YB durchgeführten Talenttage zu empfehlen. Wer zwölfjährig ist und in den Bereichen Technik, Physis, Taktik und Mentalität überzeugt, wird nun optimal gefördert – aber auch selektioniert. Nach drei Saisons Footeco folgt der Schritt in die U15. Inzwischen sind von anfänglich zehn Teams nur noch vier übriggeblieben: Team TOBE (Oberaargau/Emmental), Team AFF/FFV (Freiburg), Team Köniz und BSC Young Boys.

NICHT JEDER WIRD PROFI

Die talentiertesten Spieler aus diesen Selektionen haben die Möglichkeit, die letzten drei Schuljahre in einer Sportklasse in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Trainingszentren zu absolvieren. Durch einen optimalen Stunden- und Stoffplan bekommen sie so genügend Zeit für Schule und Sport. Bei diesem Spagat nimmt der BSC Young Boys seine soziale Verantwortung sehr ernst. Denn nur die wenigsten Spieler bekommen später einen Profivertrag – ihren Lebensunterhalt müssen aber alle verdienen können. «Darum besucht jeder, und sei er noch so ein grosses Talent, nach der 9. Klasse eine weiterführende Schule oder er macht eine Berufslehre», sagt Christian Franke, der YB-Nachwuchschef. Öffentliche oder private Sporthandelsschulen sind da sehr gefragt. «Mit der Feusi Schule haben wir einen starken Partner, welcher viele verschiedene, auf den Sportbetrieb abgestimmte Lösungen, anbietet,» erzählt Christian Franke. «Auch die gymnasiale Ausbildung steht hoch im Kurs, beispielsweise bei der Swiss Olympic Partner School Gymnasium Neufeld oder an der Feusi Schule.» Beliebt sind auch traditionelle Berufslehren. Hier brauchen manche etwas mehr Zeit bis zum Lehrabschluss, weil sie wegen des Sports oft fehlen müssen. «Aber die YB-Erfolge der letzten Jahre haben uns einige Türen zu verständnisvollen Lehrbetrieben geöffnet, und wir erhalten viele positive Rückmeldungen,» sagt Christian Franke. Ein tadelloses Auftreten, eine kluge Zeiteinteilung und die Bereitschaft, sich voll und ganz für sein Team einzusetzen: das sind Werte, die schon den zwölfjährigen Footeco-Spielern vertraut sind und sich in ihrem späteren Leben auszahlen werden, wo auch immer.

GESPRÄCH MIT SANDRO LAUPER

NOAH: WIE FÜHLTE ES SICH AN, MIT YB MEISTER ZU WERDEN?
Simon Lauper: Unglaublich! Es ist krass, wenn man daran denkt, dass wir die beste Mannschaft der Schweiz sind und ich dazugehöre. Davon habe ich immer geträumt, gerade ich, der mit Thun immer etwas weiter unten war in der Tabelle und nur von fern zusehen konnte, wie andere feierten. Die Tage, als wir mit YB den Titel sicherten, waren unvergesslich – Momente fürs Leben.

SIMON: WAS IST DAS GEHEIMNIS IHRES ERFOLGS?
Ich habe immer an mich geglaubt, auch wenn es mal einen Schritt rückwärts ging. Dann habe ich noch mehr an mir gearbeitet und das Beste daraus gemacht. Das ist wirklich der entscheidende Punkt. Probiere in jedem Training noch besser zu werden. Nütze deine Zeit, sei fokussiert! Du hast Trainer, die jeden Tag für dich hierherkommen. Zeig ihnen, dass du etwas erreichen willst, auch für dich selber!

KEVIN: SIE KÖNNEN SO SCHARFE UND PRÄZISE PÄSSE SCHLAGEN. WIE KANN MAN DAS LERNEN?
Du musst den Pass nicht irgendwie spielen, sondern genau überlegen, was du machst. Du musst abschätzen, wie viel Kraft du in den Pass legen willst, wo genau er hinkommen soll. Das fängt schon im Training an, bei jeder Passübung, und sei sie noch so einfach. Versuch, den bestmöglichen Pass zu spielen. Flach, präzise, ohne dass der Ball holpert!

MARKUS: WIE WAREN SIE IN DER SCHULE?
Also Zusatzaufgaben habe ich nie gelöst … und Mathe lag mir auch weniger. Dafür hatte ich gern Deutsch. Und im Sport war ich auch einer der Besseren!

ALEX: HATTEN SIE AUCH NOTENDRUCK?
Ja, so wie jeder andere auch. Ich hatte das Glück, dass ich in der Feusi Schule das Sportgymnasium machen durfte. Da hatte ich nur halbtags Schule und die übrige Zeit konnte ich trainieren.
Wenn es mal vom Schulstoff her nicht ging und wir zwei oder drei Tests am gleichen Tag hatten, habe ich es dem Trainer auch gesagt und mal das Training ausfallen lassen. So ehrlich muss man sein und die Schule nie vernachlässigen.

FINN: SIE WAREN IN UNSEREM ALTER ZIEMLICH KLEIN. WAR DAS EIN NACHTEIL?
Ja, denn ich war damals wirklich klein und schmal. Zum Ausgleich entwickelt man dann andere Fähigkeiten: technisch noch besser zu werden oder auf den ersten Metern schneller zu sein als andere. So muss man vielleicht gar nicht in den Zweikampf gehen.

MATTIA: HATTEN SIE ALS YB-JUNIOR AUCH SCHWIERIGE ZEITEN?
Die gab es sicher. Anfänglich spielte ich meist bei den Grösseren, doch später hat man mich in eine Mannschaft mit Jüngeren zurückversetzt. Das war ein schwieriger Moment. Aber mein Vater, der auch viel von Fussball versteht, hat mir geholfen, das zu akzeptieren, und das war gut so. Du musst einfach immer an dich glauben!

VINZENT: IN DER U21 SIND SIE DANN RAUSGEFLOGEN. DAS WAR SICHER HART.
Rausgeflogen bin ich eigentlich nicht. Aber ich habe nur wenig gespielt. Und der Trainer sagte mir nach der Vorrunde, dass es im Frühling auch nicht viel anders sein würde. Dann habe ich von der YB U21 zu Thun U21 gewechselt. Die spielten eine Liga tiefer. Aber das war gut für mich. So konnte ich mich wieder auffangen und hatte wieder das Gefühl, dass es mich wirklich braucht. Und dann hat mich YB wieder zurückgeholt… eine Geschichte mit Happy End also.

THEO: WIE WURDEN SIE DA AUFGENOMMEN?
Ich hatte das Glück, dass ich schon fünf oder sechs Spieler kannte und ich in eine Mannschaft kam, der es nach dem Meistertitel super lief. Im Trainingslager, wenn man sieben bis acht Stunden zusammen ist, lernt man die andern schnell kennen. Und ich spürte: Jeder ist ein super Typ und wir können auch gut zusammen reden.

MATTIA: WIE WAR ES IN DER CHAMPIONS LEAGUE, ALS SIE CRISTIANO RONALDO SO GUT IM
GRIFF HATTEN?
Das war unglaublich, auch dass wir den Match noch gewonnen haben! Ich habe erst hinterher realisiert, wie cool es gewesen ist, und was wir eben geschafft hatten. Wir waren alle sehr stolz. Dieser Abend war der Lohn für all die tausenden von Trainingsstunden, die wir dafür gearbeitet haben.

PORTRAIT SANDRO LAUPER

Seine Karriere war kein problemloser Durchmarsch. Die Trainer erkannten zwar schon früh sein grosses Potential und förderten ihn entsprechend. Doch als er mit 18 Jahren in die U21 wechseln musste, zeigten sich auch die körperlichen Defizite: er war zu klein und zu schmal. So machte er in Absprache mit den Verantwortlichen von YB einen Schritt zurück, lancierte seine Karriere beim FC Thun erneut und schoss in der Super League auch bald sein erstes Tor. Leider war es ein Eigentor…

Qualität setzte sich aber durch: Klein Sandro war gewachsen, wurde von den Young Boys zurückgeholt und errang gleich in seiner ersten Saison mit YB den Schweizer Meistertitel. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis er nach überstandener Knieverletzung auch für die A-Nationalmannschaft aufgeboten wird.

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Autor: Hans Markus Tschirren
Quelle: Magazin „Bärnliebi“, Sommer 2019

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